BSG: Keine Nachrangigkeit nichtärztlicher MVZ-Gründer bei der Auswahlentscheidung im (partiell) entsperrten Planungsbereich

Urteil vom 25.10.2023 – B 6 KA 26/22 R

Sachverhalt (aus der Terminvorschau des BSG):
Die Beteiligten streiten über eine Zulassung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs. Nach Feststellung von Zulassungsmöglichkeiten im Umfang eines halben Versorgungsauftrags im Rahmen der Quotenregelung für die Gruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit Schwerpunkt Rheumatologie bewarben sich der zu 8. beigeladene Arzt und das MVZ der Klägerin, letztere mit einem Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung der zu 9. beigeladenen Ärztin. 

Das MVZ der Klägerin wurde ursprünglich 2004 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den Gesellschaftern Dr. H. und Dr. M. gegründet, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig waren. Seit 2019 ist die klagende GmbH Trägerin des MVZ. Einzige Gesellschafterin der Klägerin ist die H. GmbH, die als Erbringerin nichtärztlicher Dialyseleistungen zur Gründung von MVZ berechtigt ist. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der H. GmbH ist wiederum Dr. H., welcher zudem als angestellter Arzt weiterhin in dem MVZ tätig und dessen ärztlicher Leiter ist. 

Der Zulassungsausschuss erteilte dem Beigeladenen zu 8. die beantragte hälftige Zulassung und lehnte den Antrag der Klägerin ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Berufungsausschuss zurück. Der Antrag der Klägerin sei nachrangig zu behandeln. Dies folge aus § 103 Absatz 4c Satz 3 SGB V, wonach bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers ein MVZ, bei dem – wie hier – die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liege, die in dem MVZ selbst als Vertragsärzte tätig seien, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen sei. Dem ist das Sozialgericht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat den beklagten Berufungsausschuss dagegen zur Neubescheidung verurteilt. Zwar sei der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Nachrangregelung des § 103 Absatz 4c Satz 3 SGB V auch im Rahmen von Zulassungsverfahren bei partieller Entsperrung entsprechend anwendbar sei. Insoweit bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Allerdings habe der Beklagte die Nachrangregelung zu Unrecht als Ausschlussregelung verstanden. Er hätte die Klägerin vielmehr in die Auswahlentscheidung um den Quotensitz miteinbeziehen müssen. 

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Die Nachrangregelung sei verfassungswidrig, da sie eine bestimmte Gruppe von MVZ im Nachbesetzungsverfahren benachteilige, wofür ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich sei. Die Regelung gelte zudem nach ihrem Wortlaut nur für Nachbesetzungsverfahren bei Praxisnachfolge. Sie sei auf Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung nicht analog anzuwenden. Jedenfalls aber sei die Klägerin so zu behandeln wie ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte bei Ärzten liege, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig seien. 

Die Entscheidung des BSG (aus dem Terminbericht des BSG):
Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Zwar hat das Landessozialgericht im Ergebnis zutreffend das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid des Beklagten aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verurteilt. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist jedoch die Nachrangregelung des § 103 Absatz 4c Satz 3 SGB V, die nach ihrem Wortlaut allein für die Auswahl des Praxisnachfolgers im Nachbesetzungsverfahren gilt, in einem Auswahlverfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nicht anwendbar. Das Urteil des Landessozialgerichts war deshalb zu ändern und der Beklagte zur erneuten Zulassungsentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu verpflichten. 

Eine analoge Anwendung der Nachrangregelung auf Verfahren wegen partieller Entsperrung kommt nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Bereits die Entstehungsgeschichte der Norm gibt hierfür keinen Anhalt. Die im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich geplanten Vorkaufsrechte für Kassenärztliche Vereinigungen oder für Vertragsärzte zielten allein auf Vorgaben für das Nachbesetzungsverfahren. Dass die Vorkaufsrechte im Ergebnis keinen Eingang in das Gesetz fanden, beruhte nicht darauf, dass der gewählte Anwendungsbereich der Regelung als zu eng angesehen wurde, sondern allein darauf, dass sich die praktische Umsetzung der Vorkaufsregelungen als zu aufwändig und zeitintensiv darstellte. Eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke in Bezug auf Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung lässt sich nicht feststellen. 

Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats zur Konzeptbewerbung (Urteil vom 15.5.2019 – B 6 KA 5/18 R). Zwar hat der Senat dort eine Regelungslücke in Bezug auf die Konzeptbewerbung für Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung bejaht, weil im Rahmen der dort zu treffenden Auswahlentscheidung im Kern dieselben Kriterien zu berücksichtigen sind wie bei einer Auswahl im Nachbesetzungsverfahren. Hier geht es jedoch nicht um die Modifikation von weiteren Eignungskriterien, sondern um eine Regelung, nach welcher einer bestimmten Gruppe von Medizinischen Versorgungszentren im Nachbesetzungsverfahren nicht die gleiche Stellung wie anderen geeigneten Bewerbern eingeräumt wird. 

Vorinstanzen: 
Sozialgericht München, S 43 KA 10/21, 27.07.2021 
Bayerisches Landessozialgericht, L 12 KA 35/21, 14.09.2022 

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